12.11.2019, 07 Uhr

Jeanine Meerapfel eröffnet 7. Urheberrechtskonferenz der Initiative Urheberrecht

Am 11.11.2019 fand in der Akademie der Künste am Pariser Platz die 7. Urheberrechtskonferenz der Initiative Urheberrecht statt. Zur Begrüßung sprach Prof. Jeanine Meerapfel, Präsidentin der Akademie der Künste. Hier können Sie die Eröffnungsrede nachlesen.

 

Sehr geehrte Frau Staatsministerin Prof. Grütters, liebe Monika,
sehr geehrte Mitglieder des Deutschen Bundestags und des Europäischen Parlaments,
sehr geehrte Senatoren,
sehr geehrte Angélique Kidjo,
sehr geehrte Nina George,
lieber Herr Prof. Pfennig,
liebe Akademie-Mitglieder,
meine Damen und Herren,

ich begrüße Sie alle sehr herzlich in der Akademie der Künste.

Auch in diesem Jahr stellen wir der Initiative Urheberrecht gern wieder unseren Raum für ihre Konferenz zur Verfügung.

Wir setzen uns immer wieder gemeinsam für ein gerechtes Urheberrecht ein, und für diese Zusammenarbeit sind wir dankbar. Mehr als 400 Künstlerinnen und Künstler sind Mitglieder der Akademie der Künste –ohne eine angemessene Vergütung können wir unsere Arbeit nicht fortsetzen.

Am 23. März dieses Jahres war die Akademie der Künste Gastgeberin einer Veranstaltung zur Unterstützung der Urheberrechtsrichtlinie der EU. Gemeinsam mit der Initiative Urheberrecht und weiteren Organisationen des Kulturlebens wie z.B. dem Börsenverein des Deutschen Buchhandels haben wir unseren Teil dazu beitragen können, dass der EU-Rat der Reform zugestimmt hat, die das Urheberrecht endlich an das digitale Zeitalter anpassen soll.

Zeitgleich zu unserer Veranstaltung demonstrierten draußen Tausende gegen die sogenannten „Uploadfilter“ mit dem Ziel, die gesamte EU-Richtlinie zu verhindern. Uns ging es währenddessen darum, deutlich zu machen, was unser Akademie-Mitglied Ingo Schulze vor einem Jahr hier an dieser Stelle deutlich sagte: Man darf die Frage nach fairer Vergütung von Urhebern bei der Verwendung ihrer Werke auf Internetplattformen nicht verhindern, indem man auf populistische Weise Gefahren für die Meinungsfreiheit beschwört. Die Erweiterung des Urheberrechts im Internet ist notwendig. Ein „freies Internet“ gibt es ohnehin nicht, wie wir wissen. Das Internet ist längst unter ein paar Giganten aufgeteilt, Amazon, Apple, Facebook, Google und Microsoft, und das große Wort frei oder Freiheit sollte nicht fahrlässig verwendet bzw. missbraucht werden, wenn es in Wahrheit um gratis geht.

Niemand in der Akademie der Künste und in der deutschen und internationalen Kulturszene will die Meinungsfreiheit im Internet beschränken, jedenfalls nicht, soweit sie nicht missbraucht wird, um Menschen zu diskriminieren und Straftaten zu begehen.
Es ist vielleicht nicht direkt Thema der heutigen Konferenz – und doch muss ich es ansprechen:

Die „Sicherung der Meinungsfreiheit im Internet“ wird ja nicht nur als Schlagwort gegen die Gewährung von Vergütungsrechten propagiert – nein, die gegenwärtige „Freiheit“ im Internet bietet auch die Grundlage für den exorbitanten Anstieg antisemitischer Äußerungen, die als Konsequenz auch in realer Gewalt münden.

Es ist an der Zeit, beides zusammen zu denken. Was ist es denn, was uns als Menschen ermöglicht, friedlich miteinander zu leben. Ohne Regeln herrscht die Kraft des Stärkeren. Oder die Kraft gewaltanwendender Individuen – ich denke an den entsetzlichen Anschlag auf die jüdische Gemeinde in Halle am Jom Kippur, an die NSU-Morde.

Ich weise hier bewusst auf die Radikalisierungsinstrumente des 21. Jahrhunderts hin: auf die sogenannten sozialen Medien wie Facebook oder Youtube, Spieler Gaming Plattformen wie Twitch, Foren wie „4 Chan“ oder „8Chan“, die 27 Millionen Nutzer im Monat haben.

Das sind die Foren, die die Morde in Halle ermutigt haben.

Ich möchte daran erinnern, dass mörderischer Rechtsextremismus kein neues Phänomen ist, es ist leider eine Konstante in der deutschen Geschichte.
Denken Sie an 1991: die Ausschreitungen in Hoyerswerda z.B.

Denken sie an die Menschen, die seit der Vereinigung von Rechtsterroristen in Deutschland erschlagen, erschossen oder verbrannt wurden. Der Stern nennt „196 ermordete Menschen, rein rechnerisch alle acht Wochen einen.“ Zuletzt wurde der Kasseler Regierungspräsident Walter Lübcke im Juni dieses Jahres ermordet, und vor wenigen Wochen wurde der Anschlag auf die Synagoge in Halle verübt, zwei weitere Menschen ermordet. Politiker wie Cem Özdemir und Claudia Roth erhalten Morddrohungen.

Und in Thüringen fordern 17 CDU Politiker zu „ergebnisoffenen Gesprächen“ mit der AfD auf. Die AfD von Björn Höcke, der das Holocaust Mahnmal als Denkmal der Schande apostrophiert hat.

„Der Schoss ist fruchtbar noch“ - Wir müssen Widerstand leisten.

Wir wollen in einer Demokratie leben. Wir treten für die Meinungsfreiheit ein. Doch auch die hat ihre Grenzen – Grenzen in dem Moment, wo die Würde und Rechte des anderen verletzt werden. Auf diese Grenzen müssen wir uns einigen. Wir müssen Verantwortung übernehmen. Das schafft Demokratie.
Ich fordere nichts weniger ein als demokratische Werte für das Internet. Ist das zu viel verlangt? Ist das keine Freiheit?

Es muss möglich sein, unter Einsatz moderner Technik und im Zusammenwirken aller Beteiligten Lösungen zu finden, die gesetzwidriges Handeln unterbinden, aber die Freiheit der Meinungsäußerung nicht einschränken. Die Politik ist hier gefragt.

Ich bin sicher, dass solche Lösungen im Umsetzungsprozess gefunden werden können.

Wir müssen uns die Algorithmen dienbar machen, und uns nicht von ihnen beherrschen lassen. Vorgestern, am Samstagabend zu unserer Mitgliederversammlung, wurde mein audiovisueller Essay Moving Sand / Topos aufgeführt, der sich mit den zunehmenden Auswirkungen der Anwendung Künstlicher Intelligenz auf all unsere menschlichen Lebensbereiche beschäftigt. Die digitale Mediengesellschaft lässt sich nicht aufhalten. Aber wir müssen sie aktiv mitgestalten.

Die Urheberrecht-Richtlinie ist wichtig für die Erleichterung des Zugangs zu kulturellen Gütern, auch mit neuesten technischen Mitteln, sie stärkt die kreativen Menschen in Europa gegenüber marktmächtigen Verwertern, und sie bietet viele Erleichterungen beim Rechtserwerb und damit auch Zugangserleichterungen für diejenigen, die Werke verbreiten wollen, woran uns allen gelegen ist.

Wir müssen als Akademie der Künste aber auch darauf hinwirken, dass die Apologeten der totalen Freiheit im Internet verstehen, wo die Interessen der kreativen Menschen liegen, die ebenfalls Grundrechte für ihre Arbeit in Anspruch nehmen können.

Ich freue mich, dass diese, die 7. Konferenz der Initiative Urheberrecht, in unserem Hause diese Themen zur Diskussion stellt. Und ich wünsche einen produktiven Austausch.

Vielen Dank