29.5.2021, 13 Uhr

Max Liebermann wird Präsident der Preußischen Akademie der Künste

Mit der Wahl Max Liebermanns zum Präsidenten am 2. Juni 1920 begann eine neue Ära in der Geschichte der Institution. Er modernisierte ihre Ausstellungen grundlegend und verhalf der Akademie in der Weimarer Republik zu neuer Geltung. Ein wichtiges Anliegen ließ sich jedoch erst spät realisieren.

Als am 2. Juni 1920 der Senat der Preußischen Akademie der Künste einstimmig Max Liebermann (1847–1935) zum Präsidenten wählte, begann eine neue Ära in der Geschichte der Institution. Der bereits 73-jährige, erfolgreiche Maler und bedeutende Vertreter des Impressionismus gehörte seit 1898 zu den Mitgliedern der Akademie. Als langjähriger Präsident der Berliner Secession stand er ihr nach der Jahrhundertwende jedoch konträr gegenüber. Die Künstlervereinigung beeinflusste mit ihren innovativen Ausstellungen maßgeblich die Entwicklung der Moderne in Deutschland, während die Akademie im Kaiserreich als erstarrt und rückwärtsgewandt galt.

Mit den demokratischen Veränderungen nach dem Ende des Ersten Weltkriegs wandelten sich aber auch die Bedingungen innerhalb der Preußischen Akademie der Künste. Es wurden Reformen eingeleitet und 1919 Künstler wie Ernst Barlach, Lovis Corinth und Käthe Kollwitz zu Mitgliedern gewählt, denen die Aufnahme vorher verweigert worden war. Am 1. Oktober 1920 trat Liebermann sein Amt an und blieb 12 Jahre, bis zum September 1932, Präsident der Akademie. Er galt nicht nur als künstlerische, international anerkannte Instanz, sondern wurde auch für seine liberal-bürgerliche Integrität geschätzt. Von der einstigen Opposition war nun keine Rede mehr. Im Gegenteil, Liebermann machte es sich zur Aufgabe, der Akademie neue Geltung zu verschaffen. So schrieb er im Juni 1920 an Gerhart Hauptmann: „Was man auch gegen die Akademie sagen kann: sie ist grade jetzt nothwendiger als je. Jetzt, da ihr von oben keine Fesseln mehr angelegt werden, muß sie zeigen, daß sie die Freiheit verdient [...] Das verlorene Prestige muß durch innere Tüchtigkeit zu ersetzen versucht werden.“

Liebermann richtete sein Augenmerk umgehend auf die Reform der Frühjahrs- und Herbstausstellungen, die seit dem Herbst 1920 wieder gleichermaßen Akademiemitgliedern und freien Einsendern offenstanden. Mit diesem System, das bis 1892 für die Akademischen Ausstellungen gegolten hatte, erreichte er, dass sämtliche künstlerischen Strömungen und junge, aufstrebende Talente vertreten waren. In der Realität wurden abstrakte, konstruktivistische und dadaistische Werke allerdings ausgeschlossen. Eine Ausstellungskommission unter seiner Leitung, der auch Käthe Kollwitz und Philipp Franck angehörten, entschied über das Ausstellungsprogramm im Allgemeinen und gezielte Einladungen an Künstler im Besonderen. Liebermanns Auffassungen von Qualität und Talent waren einerseits maßgebend bei der Gestaltung der Ausstellungen und der Zulassung von Arbeiten. Andererseits ordnete er seine persönlichen Neigungen seinem Amt unter, weshalb auch Werke des Expressionismus und der Neuen Sachlichkeit zu sehen waren. Die Kunstkritik reagierte positiv auf die Veränderungen. Die Akademie wurde nun als lebendiger Ausstellungsort wahrgenommen, an dem gezeigt wurde, was in der deutschen Kunst der Gegenwart wesentlich war. 

Als Präsident befasste sich Liebermann mit zahlreichen weiteren Themen, zum Beispiel mit der Berliner Kunstschulreform 1924 und der Gründung der Sektion für Dichtkunst im Jahr 1926. Ein wichtiges Anliegen, die Sektion für die bildenden Künste durch Zuwahlen neuer Künstler zu verjüngen, konnte er jedoch nicht durchsetzen. Obwohl er sich intensiv um die Erweiterung des künstlerischen Spektrums bemühte, verhinderten konservative und politisch reaktionäre Mitglieder über Jahre die Aufnahme moderner Künstler. Um die Stagnation bei den Mitgliederwahlen zu beenden, griffen Liebermann und seine Verbündeten zu einem Mittel der Not: Der amtierende Kultusminister Adolf Grimme löste im August 1931 den Akademiesenat auf, ernannte dreizehn renommierte, vorher von der Akademie ausgewählte Künstler – unter ihnen Otto Dix, Karl Schmidt-Rottluff, Ernst Ludwig Kirchner und Renée Sintenis – zu Mitgliedern und erließ neue Satzungen. Diese Berufungen, die die längst überfällige Modernisierung der Akademie befördern sollten, veränderten zwar das Kräfteverhältnis, waren aber als undemokratischer Akt in einer Zeit des Machtvakuums durchgesetzt worden und führten daher zu zahlreichen Protesten konservativer Mitglieder.

Von den Querelen zermürbt, verzichtete Liebermann zum Ablauf des Geschäftsjahres 1931/32 auf eine weitere Kandidatur. Am 16. Juni 1932 wurde er zum Ehrenpräsidenten ernannt. Doch schon wenige Monate später kamen die Nationalsozialisten an die Macht. Am 7. Mai 1933 legte Liebermann die Ehrenpräsidentschaft nieder und trat aus der Akademie aus.

Anke Matelowski

Max Liebermann, Selbstbildnis mit Strohhut (Panamahut), 1911, Öl auf Hartfaser, Akademie der Künste, Berlin, Kunstsammlung. Foto: Roman März

Akademiegebäude Pariser Platz 4, 1932. Foto: © bpk/Carl Weinrother

Frühjahrsausstellung 1931 mit Werken von Max Pechstein, Joachim Karsch und Max Liebermann, Akademiegebäude Pariser Platz. Foto: unbekannt

Die Ausstellungskommission der Preußischen Akademie der Künste, in der Mitte Philipp Franck, Käthe Kollwitz, Max Liebermann, 1927. © NL Kollwitz / Käthe Kollwitz Museum Köln

Plenarsitzung anlässlich der Gründung der Sektion für Dichtkunst, in der Mitte Thomas Mann, neben ihm rechts Hermann Stehr, Max von Schillings und Max Liebermann, 1926. Foto: unbekannt

Porträt Max Liebermann, um 1930. Foto: Greta Friedländer © Max-Liebermann-Gesellschaft www.liebermann-villa.de

Schreiben von Max Liebermann über die Niederlegung des Ehrenpräsidiums und seinen Austritt aus der Akademie, 7. Mai 1933. Foto: AdK