Arbeit am Gedächtnis
Transforming Archives

Ausstellung vom 17. Juni bis 19. September 2021

Installation von Robert Wilson nur noch bis zum 22.8. ansehbar.

Das kulturelle Gedächtnis ist die Basis der menschlichen Zukunft. Dabei übernehmen Künste und Kulturinstitutionen eine entscheidende Rolle. Die Auseinandersetzung mit Erinnerung und Gedächtnisspeichern ist zentraler Gegenstand aktueller künstlerischer Praxis: Künstler*innen befragen Archive, überdenken Auswahlprozesse, tasten Lücken im Depot ab und erstellen eigene Archive gegen das Vergessen. Denn das Gedächtnis ist ein umkämpftes Feld: Inmitten der aktuellen Dynamik von digitalem Wandel, rechten und nationalistischen Erzählungen, postkolonialen Debatten um historische Verantwortung sowie dem Ringen um Nachhaltigkeit und Diversität gilt es, tradierte Wissens- und Erinnerungsräume zu verteidigen und zugleich neu zu bewerten.

Die Ausstellung „Arbeit am Gedächtnis – Transforming Archives“ beleuchtet verschiedene Aspekte der Erinnerungskultur mit 13 Auftragsarbeiten zeitgenössischer Künstler*innen und 15 exemplarisch ausgewählten Exponaten aus dem Archiv der Akademie der Künste.

Candice Breitz gedenkt mit 1001 versiegelten VHS-Kassetten deren Einfluss auf das Bildergedächtnis und verweist auf das Erzählen als Überlebensstrategie. Cemile Sahin entlarvt die Rolle von Medien und Monumenten in der Politik des Erinnerns in Irak. Was vom alltagskulturellen Erbe bleibt, entdeckt Susann Maria Hempel in einer Archäologie des Mülls. Thomas Heises Recherche zu den „korrespondierenden Mitgliedern“ der Akademie der Künste der DDR  legt ein Stück verschütteter Geschichte frei. Archive sind auch Ausdruck von Ein- und Ausschlussmechanismen: Mit ihrer Archivfiktion über eine irische Avantgarde demaskiert Jennifer Walshe die Willkür des Kunstkanons, ähnlich wie Arnold Dreyblatts Archiv-Karussell, inspiriert von John Cages Dekonstruktion des Ausstellungsbetriebs. Ulrike Draesner spürt den Sedimenten des Kolonialismus im Archiv und seinen Leerstellen nach. Der Umgang mit Zeugnissen vergangener Gewalt, die in die Gegenwart hineinreicht, ist ein wiederkehrendes Thema: Eduardo Molinari setzt sein Archiv ein, um die Kontinuitäten von Kolonialverbrechen, Landnahme und Klimawandel in Patagonien herauszustellen. In Matana Roberts Klanginstallation hallt der Freiheitskampf der US-Bürgerrechtsaktivist*innen Paul und Eslanda Robeson nach. Mirosław Bałka liest aus einem Deutschlehrbuch von 1943, einem Fundstück aus seinem polnischen Familienarchiv; Cécile Wajsbrot setzt sich in Dialog mit Imre Kertész‘ Nachlass über die „exilierte Sprache“. Gedächtnisarbeit ist auch Trauer- und Traumaarbeit, in der Erinnern und Vergessen miteinander korrespondieren, wie in Alexander Kluges Filmpanorama. Wie kulturelles Vermächtnis sich in die Künste und den Körper einschreibt offenbart Robert Wilsons Hommage an Suzushi Hanayagi.

In der künstlerischen Erinnerungsarbeit erweist sich das Archiv zugleich als Ressource und als Methode. Ausgewählte Objekte und Dokumente aus dem Archiv der Akademie zeugen von der Erinnerung als Triebfeder künstlerischen Schaffens. Walter Benjamins programmatischer Text Ausgraben und Erinnern gibt den Denkrahmen vor: Das Gedächtnis als Medium zur Erkundung der Gegenwart. Einar Schleefs Tagebuchbilder, die Arbeitskurven von Käthe Kollwitz, Modelle zum Echolot von Walter Kempowski, die Bildvorlagen von George Grosz, Edgar Reitz‘ Produktionstagebücher oder Inge Deutschkrons Brief an ihren Vater sind einige der Positionen, die sich zu einer Konstellation künstlerischer Verfahrensweisen fügen: „Erinnern ist Arbeit.“ (Einar Schleef)