2014

Corinne Wasmuht

Corinne Wasmuht schafft Raumbilder, in denen gegenständliche und abstrakte Bildelemente und Mikrostrukturen in zerklüfteten Farbexplosionen übereinander liegen, sich begrenzen oder miteinander verschmelzen. Insbesondere die neuen Großformate sind Gegenbilder unserer Lebenswirklichkeit und schwanken zwischen Geschwindigkeit und radikaler Verlangsamung im Malprozess. Als Impulsgeber für ihre Werke dienen ein umfangreiches Bildarchiv und ein stetiger Input aus Alltagsgeschehen, Wissenschaft, Film, Fernsehen, World Wide Web, Architektur und urbanem Leben.

Textbeiträge zur Preisverleihung

„Corinne Wasmuhts Bilder stellen beständig ihre eigene Gegenwart her.“
(Auszug Laudatio)

Die Malerin Corinne Wasmuht erhält den diesjährigen Käthe-Kollwitz-Preis in Würdigung ihres konsequenten und vielseitigen Werkes, das sich durch Originalität, Erfindungsreichtum und hohe malerische Qualität auszeichnet. In den vergangenen zwei Jahrzehnten hat die Berlinerin großformatige Ölgemälde auf Holz geschaffen, die abseits des Mainstreams durch eine formale und inhaltliche Spezifik überzeugen.

Malerei agiert – wie die Kunst im Allgemeinen – heute nicht mehr in festen Grenzen oder Kategorien, sondern hat sich dem traditionellen Formenkanon längst entzogen. Corinne Wasmuhts Bilder laufen gegen den Strom, indem sie mit der Geschwindigkeit, der Zerstreuung und Unverbindlichkeit unserer Zeit kontrastieren. Dieses Ergebnis erzielt die Malerin auf rationaler, auf bildästhetischer und auf emotionaler Ebene mittels eines extrem verlangsamten und aufwendigen Herstellungsprozesses, der an künstlerische Praktiken Alter Meister erinnert. Sie nutzt wie keine andere Malerin unserer Zeit die Möglichkeiten technischer und bildästhetischer Weiterentwicklungen, um eine andersartige Wahrnehmung von konstruierten Wirklichkeiten zu aktivieren. Dabei lässt sie in ihren Gemälden Unformuliertes und nimmt sich an exakt jener Stelle zurück, an der der Betrachter in ein neuartiges Raum-Zeit-Bild-Gefüge eintritt. Diese Form der Reduktion wird als Methode in der zeitgenössischen Malerei immer wichtiger. Der Betrachter kann letztendlich nur als aktiver Pol, und nicht als Konsument, in ihre illusionistischen Bildwelten eindringen.

Nahezu als eigenständiges Werk gilt das seit dem Beginn der 1980er Jahre in stetigem Wachstum befindliche Archiv von Corinne Wasmuht mit Fotografien, Zeitungsausschnitten und Bildern aus dem Internet. Dieser in strengen Kategorien geordnete Themenkatalog nährt gemeinsam mit Einflüssen aus Film, Fernsehen, World Wide Web, Wissenschaft, Alltagssituationen und anderem die Bildideen der Künstlerin. Er bildet aber auch den Ausgangspunkt für ihre Collagen, die als eigenständige Arbeiten zu verstehen sind. Wie in einem organischen Prozess wächst und verschmilzt das Ideenmaterial in gegenständliche und abstrakte Bildstrukturen. Corinne Wasmuhts bildnerische Sprache zeichnet sich durch die Zusammenfügung von sich überlappenden urbanen und illusionistischen Räumen aus. Dank ihrer großen räumlichen Vorstellungskraft entstehen an Traumbilder erinnernde Arbeiten von bestechender Multiperspektivität und in einzigartigen Farbexplosionen.

Das künstlerische Anliegen von Corinne Wasmuht zielt darauf, in Gegenbildern gefasste Alternativen zur heutigen Lebenswirklichkeit zu formulieren. Diesen Weg beschreitet die Künstlerin mit beeindruckender Folgerichtigkeit und hat sich damit seit langem breite Anerkennung verschafft. Heute zählt sie zu den einflussreichsten Vertreterinnen der zeitgenössischen Malerei. Ihre Werke sind in bedeutenden öffentlichen und privaten Sammlungen im In- und Ausland vertreten.

Der Jury gehörten an: Arnold Dreyblatt, Birgit Hein und Wolfgang Petrick

Text von Wulf Herzogenrath, veröffentlicht anlässlich der Preisverleihung am 3. Juli 2014 im zugehörigen Ausstellungskatalog:


Gedanken zu einem Bild

Du gehst Dein Leben lang
auf tausend Straßen;
du siehst auf deinem Gang,
die dich vergaßen.
Ein Auge winkt,
die Seele klingt;
du hasts gefunden,
nur für Sekunden ...
Zwei fremde Augen, ein kurzer Blick,
die Braue, Pupillen, die Lider.
Was war das? kein Mensch dreht die Zeit zurück ...
Vorbei, verweht, nie wieder.1

Kurt Tucholsky 1930

Die gemalten Bilder von Corinne Wasmuht sind Verdichtungen der von ihr gesammelten, fotografierten und gesehenen Bilder – im wahrsten Sinne des Wortes: Bilder über das Wahrnehmen der Wirklichkeit, Bilder über Bilder sowie Bilder über das Sehen von Bildern. Die Bilder von Corinne Wasmuht geben die reale Bewegung, Überblendungen und Geräusche nicht digital mit den Möglichkeiten der neuen Medien wieder, auf den Bildrechtecken sehen wir vielmehr die Wirklichkeit in statischer Malerei, die aber beim Betrachter die Dynamik von Film-Bewegungen und eine Vielschichtigkeit gerade beim Ablesen, beim Sehen selbst entstehen lässt. Diese Werke entstehen in einer klassischen Weise als Malerei, das heißt mit Pinsel und auf Holz – und doch ist es eine komplexe Technik und eine komplizierte Bildfindung, denn viele Realitätsebenen überlagern sich, überschneiden sich, ergänzen sich oder scheinen einander auszulöschen und der Bildgrund wirkt gefestigt – wie die mittelalterliche Holztafel. Ich sage bewusst klassische Malerei, weil ihre Bilder eben nicht als digitale, bewegte Werke in einem Zeit-Medium wie Film oder Video mit Klang, Ton oder Text-Collagen entstehen, sondern diese Bilder sind wie die ältere Schwester der Neuen Medien.

Corinne Wasmuht erhält den Käthe-Kollwitz-Preis 2014 der Akademie der Künste, Berlin – eine Ehrung, die mit einer Ausstellung, einem Katalog und einer Laudatio verbunden ist. Die Biografiefakten der Preisträgerin sind sparsam: Geboren 1964 in Dortmund. 1983–1992 Studium an der Kunstakademie Düsseldorf; in den offiziellen Texten wird nicht verraten, ob sie nun Malerei, Fotografie oder Theorie studiert habe; auf meine Frage zu diesem Thema sagte sie, dass nicht so sehr die Professoren (Uecker, Hüppi, Schwegler), sondern die Mitstudierenden anregend und hilfreich waren. Dann folgte schon 2006 die Berufung als Professorin an die Staatliche Akademie der Bildenden Künste Karlsruhe und deshalb schließt diese knappe Biografie mit der lapidaren Zeile: „Lebt in Berlin und Karlsruhe.“

Man könnte statt prägender Reisen – wie früher bei Emil Nolde nach Papua-Neuguinea oder Emil Orlik nach Japan oder um heutige Künstler zu benennen Forschungsaufenthalte in Brasilien für Lothar Baumgarten oder die Antarktisreisen von Lutz Fritsch – bei Corinne Wasmuht ganz andere Anregungsfelder nennen: Als Bildquellen finden wir die alltäglichen Bildwelten in den Magazinen, Zeitungen, dem Fernsehen, in all den Filmarchiven, ja im Internet und seinen digitalen Welten – dort reist Corinne Wasmuht und findet phantastische, banale, besondere und alltägliche Bilder –, und seit Mitte der 1980er Jahre sammelt sie Bilder, Reproduktionen, ausgeschnitten aus der veröffentlichten Medienwelt und vermischt mit eigenen Fotografien. Dieser Kosmos der Bildwelten wird in Ordnern gesammelt, meist auf A4-Blättern aufgeklebt. Es gibt große Ordnungssysteme beim Sammeln: so zum Beispiel Wasser, Pflanzen oder Wolken. Und dann entstehen beim Sammeln und Sichten, beim Spielen und Verarbeiten, beim Assoziieren und Ordnen „Unterabteilungen wie Wellen und Wassertropfen, Wüsten und Sandkörner, Lichter, aber auch Atom- und Neutronenmodelle, Astronauten, Gewaltszenen, Feuer und Explosionen“2 – dies ist die Aufzählung von Klaus Gallwitz dem Jurypräsidenten des Oberrheinischen Kunstpreises Offenburg, den Corinne Wasmuht 2011 erhielt. Dort wurde neben zwei Gemälden eine große Auswahl ihrer bis 2001 entstandenen über 700 Collagen gezeigt.
Klaus Gallwitz hat für seine Laudatio 2011 auch eine treffende Formulierung in einem Katalogtext von Susanne Titz Baden-Baden (2003) gefunden und weiterverwandelt: „Corinne Wasmuht sucht in ihren panoramaähnlichen Gemälden den ›Zustand der Einverleibung‹ der öffentlichen Bilder sichtbar zu machen. Das ist ihr Zentralmotiv: die Einverleibung der Gegensätze von Geschwindigkeit und Stillstand im Malprozess.“3

Ich möchte den Gedanken des Stadtpanoramas weiterentwickeln: Corinne Wasmuht stellt in ihrem, in unserer Ausstellung vorgestellten neuesten Bild Pehoé Towers die Schnelligkeit des Lebens, der Großstadt, die Dynamik unserer Informationsgesellschaft, die Collagierung der Informationen bewusst kontrastierend in der statischen Malerei dar. Sie regt dazu an, genau und präzis zu schauen, die Entwicklungsformen des Bildes von links nach rechts, von vorn nach hinten und von unten nach oben zu betrachten. Das Format der Malerei ist höchst ungewöhnlich: Breite 7,15 (!) Meter bei einer Höhe von knapp zwei Metern – also einem extrem breiten Format, das fast genau zweimal, das heißt dem in der Breite verdoppelten neueren TV-Format von 16 x 9 entspricht. Man könnte auch an die neuesten Entwicklungen wie die gerundeten TV-Geräte, die raumbetonende High-Definition-Technik sowie die 180 Grad gekrümmten Film-Projektionen denken. Doch bei Corinne Wasmuhts Bildern möchte man viel eher wieder auf die Panoramen des 19. Jahrhunderts zurückkommen, die in der Filmgeschichte auch als ein Vorläufer der Hollywood-Filme gesehen wurden.

Das Erfolgsmodell Panoramabilder beherrschte die Wirklichkeitssicht im 19. Jahrhundert, bevor es den Film oder gar das Fernsehen, bevor es Projektionsmöglichkeiten bis hin zum Public Viewing gab! In jeder größeren Stadt entstanden Panoramen mit realistischen, belehrenden geschichtsträchtigen Inhalten: die großen, selbstverständlich erfolgreichen Schlachten, die umgebende, aber im Tal der Stadt nicht wahrnehmbare, rundum sich auftürmende Bergwelt – oder am liebsten beides: die grandiose Natur und ein historisches Schauspiel leidender, aber letztlich siegreicher Kämpfer als Lehrstück für die heranwachsende Jugend, gemalt in einem meist 360 Grad umfassenden Rundblick, zu betrachten von der ruhigen Mitte im Inneren! Heute umtost uns Hollywood mit historischen Themen, Weltuntergangsepen, das Fernsehen sendet neue Formen von Dokumentationen kombiniert mit Spielfilmszenen – die Sicht auf die Welt wird verstellt und inszeniert. Nam June Paik hat die Schnelligkeit der Bilderwelten dermaßen übertrieben, dass von all den über- und ineinander kopierten Bildwelten in seinen Videobändern seit den 1980er Jahren letztlich nur ein weißes Pixelgestöber im Auge des überforderten Betrachters ankommt.

Das Bild im Breitwandformat Pehoé Towers, 2013, von Corinne Wasmuht vereint höchst unterschiedliche Kompositionsebenen und -strukturen, von denen zwei gegensätzlich strukturierende besonders auffallen: die großen, leicht gerundeten, geschwungenen Linien unten, die das Format zusammenfassen wollen, und die dreifach sich staffelnde Architektur mit Säulen, die sich wiederholen und die zugleich minimal voneinander abweichen. Das gleiche Bild erscheint durch digitale Strukturierung verändert. Die Säulen wirken wie bei Traumbildern leicht verschoben oder sind es nur technisch variierte Veränderungen der Vorlage? Der Betrachter muss für sich die Frage nach der Realität der dreifach variierten Wirklichkeit beantworten. Die Bildzeichen changieren zwischen Gegenstand und Abstraktion: Sind die großen Schwunglinien nächtliche Autolichter im Vorbeifahren oder abstrakte Bildschwünge einer eigentlich unsichtbaren, alles umfassenden digitalen Aura? Diese zwei Kompositionsebenen könnten gegensätzlicher nicht sein: dreifach wiederkehrende Wahrnehmung der Stadt-Architektur (es ist ein Detail des Museums Ludwig in Köln) und rundum kreisende, vereinheitlichende Schwunglinien abstrakter Herkunft. Wenn man dann feststellt, dass dieses Bild breiter ist als das raumschaffend breiteste Format von Barnett Newmans Who's Afraid of Red, Yellow and Blue (1982, Neue Nationalgalerie, Berlin), dann bewundert man vor dem Original noch mehr, wie es Corinne Wasmuht gelungen ist, die Veränderung unserer Weltwahrnehmung durch die Digitalisierung in einem einzigen Bild vielschichtig darzustellen. Bei Barnett Newman stehen wir innerhalb eines Bild-Farbraumes, der uns vollständig umgibt, und wir scheinen darin aufzugehen. Corinne Wasmuht lässt uns die Auflösung der Realität, die Neustrukturierung durch Rasterung und zugleich die Geschwindigkeit unserer eigenen Wahrnehmungsprozesse erkennen. Der aufmerksame Betrachter entdeckt die ineinander verwobenen Bildebenen als nebeneinander stehende Pinselstriche, die Bildfläche steht dem tiefenräumlichen Eindruck entgegen, die Statik der Malerei dem Pulsieren der Bildstrukturen.

Dabei kommt mir eine Beobachtung Walter Benjamins in den Sinn: Er schreibt in seinem Passagen-Werk über den Flaneur als eine aussterbende Spezies, den er als Gegenbild zur Großstadt mit ihrem Krach, Dreck und ihrer Geschwindigkeit entworfen hat. Dieser Flaneur geht bei Benjamin – und das ist ein herrliches, aufschlussreiches Bild – nicht mit einem Hund, sondern mit einer Schildkröte spazieren. Immer schon war dieses Tier das Symbol für die Langsamkeit und Langlebigkeit. Corinne Wasmuht bringt uns – die oftmals gehetzten Besucher von Kunstausstellungen – dazu, wie dieser Flaneur innezuhalten und genauer zu schauen, über die Bildebenen, die Herkunft der Bildwelten und Einzelteile der Darstellung zu reflektieren. In diesen zumeist querformatigen Bildern scheint die Zeit stillzustehen und das Karussell der Medienwelten mit all ihren Überflutungen eingefroren zu sein.

Zunächst hatte Corinne Wasmuht das Bild Paine Towers 7 genannt. Auf meine Frage nach der Bedeutung des Titels, erwähnte sie, dass dieses eindrucksvolle Gebirgsmassiv in Patagonien der erste Auslöser für das panoramaähnliche Bild gewesen sei. Doch viele würden den Titel missverstehen und darin das englische Wort pain (Schmerz) mit dem Titelwort towers verbinden, – aber mit 9.11 und den Türmen in New York habe dieses Bild nichts zu tun. Deshalb ist es mehr als verständlich, dass nunmehr der Titel Pehoé Towers auf den Fluss hinweist, der durch den großen chilenischen Nationalpark fließt. Die großen Schwünge im Bild erhalten so noch eine weitere Deutungsmöglichkeit im Hinblick auf das in diesem Bild eher zurückgedrängte Thema Natur: „Pehoé, aber auch Paine, ist die Bezeichnung für ›Blau‹ in der Mapuche-Sprache, etwa das Blau auf dem Bild. Torres del Paine ist ein Berg mit zwei Spitzen, ähnlich dem Roten Turm in den Dolomiten (viel imposanter natürlich), er sieht bläulich aus. Lago Pehoé ist der See am Fuße des Torres del Paine, er ist türkis-blau“, schreibt die Künstlerin in einer E-Mail am 30. Mai 2014. So speist die Erinnerung an einen Natureindruck die Farbigkeit eines Stadtbildes!

Corinne Wasmuht sieht die Überlappung der Informationen, sie verweigert sich diesem Bildgewitter nicht, aber sie schafft eine Gegenwelt der Strukturierung und Gestaltung, sie bietet Möglichkeiten, die präzisen Zusammenhänge in dem scheinbaren Chaos zu sehen. Indem wir unseren Gang und unseren Blick schärfen und verlangsamen müssen, folgen wir der Malerin in ihre komplexen Bildwelten.

Vielleicht sind doch die großen Schriftsteller, besonders auch die wachen Journalisten und Feuilletonisten die noch präziseren und angemessenen Beobachter und formulieren in Worten das, was Corinne Wasmuht in neuen, grandiosen Bildern ausdrückt – und was lange vor unserer Kritik an den neuen Medienwelten von anderen schon sehr früh gespürt wurde, eben in den Großstädten der 1920er Jahre: Alfred Polgar schreibt 1924 in seinem kurzen Text Die großen Boulevards: „Eins, zwei, drei, im Sauseschritt läuft die Zeit ... Lichterloh brennt das Leben oder was man so heißt, angefacht von den Blasebälgen Kommerz und Vergnügen, durch das breite Bett der Straße stürzt die Stadt Welle auf Welle, immer ist Sturm, hier kann niemand stehenbleiben (auch die Zeit nicht, das begreift man), er würde fortgeputzt vom Benzin, das Flecke wegbringt und vom Fleck bringt, [...] aus den gestauten, gedrängten Kolonnen der Pferdekräfte bellt, schreit, grölt es ungeduldig mit hundert Hupen, [...] rechts sind Bäume, links sind Bäume, um die meisten windet sich metallische Wand, und auch in dem diskreten Raum, den sie umschließt, strömt das Leben ohne Unterlass, Schrift und Zeichen glühen von Dächern und Mauern, feurige Pfeile, Sterne, Räder, Trompetenstöße ins Auge, Menschenmassen, Wagenmassen, die Straße, so viel bewegt, scheint selbst in Bewegung, eine Riesenschlange, hin gewunden über Kilometer, mehr als sie fassen kann, schlingend, schluckend würgend.“4

Und ohne Punkt geht dies dann weiter bei Polgar – als wenn er die neuen Bilder der Großstadt mit den Augen der digitalen Informationsgesellschaft gesehen hätte! Da schweigt der Kunsthistoriker gern und überlässt die Bühne einem Meister der Sprache – und dankt der Malerin für dieses neuartige, grandiose Bild!

Anmerkungen

(1) Aus dem Gedicht Augen der Großstadt von Kurt Tucholsky, zuerst erschienen 1930 unter dem Pseudonym Theobald Tiger in der Arbeiter Illustrierten Zeitung.

(2) Klaus Gallwitz, Die Transformation der Bilder. In: Corinne Wasmuht. Collagen 1986–2001. Städtische Galerie Offenburg, Nürnberg 2011, S. 6.

(3) Ebd., S. 6–7.

(4) Alfred Polgar, Die großen Boulevards. In: ders., Kreislauf. Kleine Schriften 2. Reinbek 1982, S. 185, zuerst erschienen 1924 in Der Tag.