1980

Werner Tübke

Werner Tübke verfügt über ein phänomenales Können, in dem er zeichnerisch und malerisch ganze Stilepochen miteinander verbindet. Seine Arbeit ist sowohl vor als auch nach der Wende umstritten. Tübke erhält 1976 den Auftrag für ein Gemälde in Bad Frankenhausen, wo die aufständischen Bauern im Jahr 1525 unter der Führung von Thomas Müntzer vom Adels- und Landsknechtsheer vernichtend geschlagen wurden. Bildgegenstand sollte die „Frühbürgerliche Revolution in Deutschland“ sein, um zu illustrieren, dass erst mit der DDR-Bodenreform von 1946 die Ziele der Aufständischen eingelöst worden seien. Tübke schafft hingegen zwischen 1976 und 1989 ein epochales Panorama über die Geburt der Neuzeit mit mehr als 3000 Figuren auf 14 x 123 Metern.

Textbeiträge zur Preisverleihung

„Professor Tübke [...] hat mit seinem bisherigen Werk einen wesentlichen Beitrag geleistet, zum Selbstverständnis unserer bildenden Kunst über ihre spezifischen Möglichkeiten in der Bilderflut unserer Zeit.“ (Auszug Begründung)

Werner Tübke gehört zu den führenden bildenden Künstlern der DDR. Bereits mit seinen fünf Diptychen über die Erdteile (Hotel Astoria, Leipzig) von 1958 zielte er auf eine synthetische Geschichtsschau, die für die Entfaltung seines reichen, hauptsächlich Gemälde und Zeichnungen, aber auch Druckgrafik umfassenden Œuvres bestimmend wurde und mit deren sukzessiven Ausformungen in einer Reihe von Triptychen und Simultanbildern er die Malerei unseres Landes wesentlich bereichert hat. Sein Streben nach visueller und geistiger Präzision führte ihn in seinem Wandbild Arbeiterklasse und Intelligenz in Leipzig (1973) zu einer sozialen Genauigkeit der Charakterisierung, die dieses Werk zu einem wesentlichen Dokument unserer sozialistischen Entwicklung gemacht hat. Sich an der Bildsprache der Meister der Renaissance orientierend, messend und steigernd, hat er vor allem als realistischer Menschengestalter in diesem Werk Hervorragendes geleistet. Seine Vorliebe für die große zyklische Komposition prädestinierte ihn für das Wandgemälde der Bauernkriegs-Gedenkstätte in Bad Frankenhausen, an dessen Entwürfen er seit 1976 arbeitet. Die inzwischen bekanntgewordenen Studien mit Detailfassungen zeigen, dass in diesem Gemälde (14 x 122 Meter) alle Charakteristika, die sein Werk auszeichnen, vereinigt sein werden:

die Kraft zur großen, zusammenfassenden Komposition, die aber nicht die Würde des Besonderen vernichtet, also realistisch ist,

die vielschichtige, wissenschaftlich fundierte Darstellung und panoramatische Ausbreitung einer ganzen Epoche,
das Interesse am besonderen, ja merkwürdigen Detail, das den Betrachter fasziniert und provoziert (wie schon im Sizilianischen Großgrundbesitzer),
Häufungen von Emblemen und emblematische Häufungen (wie in den verschiedenen Fassungen der Lebenserinnerungen des Dr. jur. Schulze),
analytische Vertiefung in die Phänomene gesellschaftlicher Zersetzung (wie schon im Tod in Venedig) mit ihrer Morbidezza, den schrillen Reizen des Manierismus und dem Umschlagen von Schönheit in Scheinhaftigkeit,
die Sättigung einer ständig expandierenden Vorstellungswelt mit Geschichte und Kultur bis in die Anverwandlung des Stils,
die Verschränkung der Zeiten, die die weiterwirkende Gültigkeit historischer Leistung betont und das Klassische als gegenwärtig, das Gegenwärtige als Klassisch begreift,
die immer wieder gebändigte Obsession durch Bedrohung und Tod,
schließlich die Landschaft als Ort des fraglos Erfreulichen, wo die Spannungen und inneren Torsionen, die das Menschenbild des Künstlers bestimmen, sich erst andeuten.

Professor Tübke, auch als Hochschullehrer von großem Einfluss, hat mit seinem bisherigen Werk einen wesentlichen Beitrag geleistet, zum Selbstverständnis unserer bildenden Kunst über ihre spezifischen Möglichkeiten in der Bilderflut unserer Zeit.

Eindrücke von der Preisverleihung

Werner Klemke während seiner Laudatio auf Werner Tübke anlässlich der Verleihung des Käthe-Kollwitz-Preises 

Tonmitschnitte der Preisverleihung

Jurybegründung (Werner Klemke)

Danksagung (Werner Tübke)