1970

Gerhard Kettner

Der Dresdner Zeichner, Grafiker und Professor Gerhard Kettner erforscht in eindrücklichen Selbstbildnissen die Spuren des Lebens. Bei der Betrachtung seiner Blätter wird deutlich, dass er sich für alle Spielarten des menschlichen Stehens, Gehens und Seins seines Gegenübers interessiert. Sie lassen uns „etwas von der Einmaligkeit des einzelnen Menschen und seiner Wahrnehmung erfahren. Bis zum Schluss [...] sind es die Körper und Gesichter von Menschen, die als Zeichenanlass wie zur Betrachtung in doppeltem Sinn von anhaltendem Interesse sind.“ (Anke Fröhlich-Schauseil, 2018)

„Raum formt sich beim Begehen des Grundes mit dem graphischen Material aus der Fläche.“

Gerhard Kettner, 1989

Textbeiträge zur Preisverleihung

„Im Mittelpunkt seiner Arbeiten steht der Mensch, den er in ausdrucksstarken, psychologisch tief durchdrungenen Werken gestaltet.“ (Auszug Begründung)

Die Sektion Bildende Kunst hat auf ihrer Sitzung am 4.9.1969 beschlossen, den Grafiker Gerhard Kettner für den Käthe-Kollwitz-Preis 1970 vorzuschlagen.

Gerhard Kettner gehört zu der jüngeren Künstlergeneration, die ihre Ausbildung an den Kunsthochschulen der DDR erhielt. Das Ende des 2. Weltkrieges und der Aufbau des Sozialismus in der DDR waren bestimmend für seine künstlerische Entwicklung. In der unmittelbaren ständigen Begegnung mit dem Leben schuf er sich ein sozialistisches, humanistisches Weltbild, das die Grundlage seines Schaffens wurde. Im Mittelpunkt seiner Arbeiten steht der Mensch, den er in ausdrucksstarken, psychologisch tief durchdrungenen Werken gestaltet. Seine Figuren werden nicht mit dramatischen Begebenheiten konfrontiert. Es sind meist sehr lyrisch aufgefasste Porträts und Einzelfiguren. Porträtdarstellungen, wie Selbstbildnis, Porträt Werner Stötzer, Zeichnungen, wie Porträt einer Großmutter, Beim Stillen und der Grafikzyklus Frauen von der LPG Patriot in Mumsdorf, führen, meisterhaft vorgetragen, hin zu dem aus Anlass des Frauenkongresses 1969 geschaffenen Zyklus. In seiner stillen, verhaltenen Darstellungsweise zeigt er Kraft, Selbstbewusstsein, Intelligenz und weibliche Anmut der Frauen in der DDR. Seiner lyrischen Auffassung entspricht in der Ausführung eine fein ausgewogene vielfältig variierte Komposition und Strichführung. Nach der fruchtbaren Auseinandersetzung mit der Kunst Hans Theo Richters entwickelte er in den letzten Jahren in beachtlicher Vollkommenheit seinen eigenen Stil, der ihn in die erste Reihe der Grafiker der DDR aufrücken ließ.

Seine reichen Erfahrungen vermittelt er erfolgreich seit 1953 als pädagogischer Assistent bei Prof. Richter und seit 1961 als Dozent an der Hochschule für bildende Künste in Dresden der jungen Generation. Für seine Leistungen wurde er 1957 auf der Kunstausstellung zu den 6. Weltfestspielen der Jugend und Studenten in Moskau mit einer Goldmedaille ausgezeichnet. 1960 erhielt er den CDU-Grafik-Preis der Stadt Erfurt und 1963 den 3. Preis im Wettbewerb „Für unser Leben – für unsere Republik“.

Die Sektion hat sich davon überzeugt, dass das bisherige Schaffen von Gerhard Kettner den Worten von Käthe Kollwitz „Ich will wirken in dieser Zeit“ entspricht und sieht in ihm einen würdigen Preisträger.