2015

Bernard Frize

Minimalismus, abstrakter Expressionismus und Farbfeldmalerei bilden die künstlerische Basis des in Berlin und Paris lebenden Franzosen Bernard Frize. Seine mittel- und großformatigen Gemälde entstehen durch einen  sinnlichen und zugleich konzeptuellen Arbeitsprozess, dem eine künstlerisch definierte Systematik zu Grunde liegt. Die einfach erscheinenden, jedoch kompositorisch komplexen Strukturen der senkrecht und waagrecht geführten Farbstränge folgen bildimmanenten Regeln. Malprozess und Duktus seiner vielschichtigen Gemälde bleiben sichtbar und werden dadurch zum Thema seiner Bildwelten.

Textbeiträge zur Preisverleihung

„[Frizes] gleichermaßen sinnliche wie konzeptuelle Arbeitsweise, der selbst geschaffene Regeln und Systeme zu Grunde liegen, ist faszinierend, eigenwillig und konsequent.“ (Auszug Begründung)

Bernard Frize hat uns durch sein außerordentlich vielschichtiges und umfangreiches malerisches Werk sofort überzeugt. Seine gleichermaßen sinnliche wie konzeptuelle Arbeitsweise, der selbst geschaffene Regeln und Systeme zu Grunde liegen, ist faszinierend, eigenwillig und konsequent.

Der Betrachter spürt diesen Systemen in den Bildern von Bernard Frize nach, er aktiviert sie, wie der Künstler sagt: „A painting is an object hung on the wall waiting for people to come and activate it.“ Sie erscheinen überraschend einfach und erweisen sich dabei gleichzeitig als choreografisch kompliziert. Zum Beispiel folgen senkrecht und waagrecht geführte Farbstränge dafür gesetzten Regeln, die auf sich selbst bezogen logisch sind und keine Referenz außerhalb des Bildes haben. Die Maltechnik und der Prozess des Farbauftrags bleiben immer nachvollziehbar und werden zugleich auch zum Bildinhalt. Jedes Bild ist auf diese Weise neu choreografiert und in sich plausibel, überzeugend und vielschichtig.

Mit großer Raffinesse arbeitet Bernard Frize nicht nur an der zeitgenössischen Weiterentwicklung malerischer Abstraktion, sondern auch an einer Topologie malerischer Gesten und Strukturen. Diese fasst er nicht nur auf ein einzelnes schöpferisches Subjekt bezogen auf, sondern auch als planvolles Zusammenwirken mehrerer Malender. Über gesetzte Farbflächen und Linien hinaus zeigt sich in seinem Werk eine beeindruckende Vielfalt an geometrischen, ornamentalen, rituell entwickelten Formerfindungen, die ihre Quellen nie in nur einer Kultur besitzen oder die sich immer auch auf andere Kulturen beziehen.

Wir haben Bernard Frize für seinen bedeutenden Beitrag zur Malerei den Käthe-Kollwitz-Preis einstimmig zuerkannt. Wir sind davon überzeugt, dass es Bernard Frize immer wieder gelingt, „einen kleinen Mechanismus zu erfinden, einen Motor, der von selbst läuft.“ Und der ihn selbst dann nicht mehr benötigt.

Der Jury gehörten an: Ayşe Erkmen, Mona Hatoum und Karin Sander

Laudatio von Jurriaan Benschop, aus dem Englischen übersetzt von Nikolaus G. Schneider, veröffentlicht anlässlich der Preisverleihung im zugehörigen Ausstellungskatalog:

Malen ist ein Akt
Über das Werk von Bernard Frize

„... sollte ein Gemälde, bevor es politisch korrekt ist, nicht erst einmal künstlerisch korrekt sein?“
Bernard Frize

Ein Journalist fragte Bernard Frize einmal, was hinter seinen Bildern stecke. Der Reporter war zu einer Ausstellung nach Hongkong gekommen und vermutete bei der Betrachtung der Werke eine tiefere oder verborgene Bedeutung hinter den farbenprächtigen Oberflächen. Doch Frizes Antwort war kurz und bündig. „Hinter den Bildern steckt nichts“, sagte er. Er wollte den Journalisten nicht verärgern oder unhöflich sein; er wollte die Dinge nur beim Namen nennen.
In den letzten vierzig Jahren hat es eine Fülle von Deutungen des Werks von Bernard Frize gegeben. Einige davon betonen den Prozess des Malens, andere erwähnen die Wichtigkeit der Farbe und wieder andere bezeichnen Frize als konzeptionellen Maler. Doch für gewöhnlich bestreitet Frize solche Klassifizierungen oder er relativiert sie zumindest. Für ihn sind dies nicht die wesentlichen Themen, auch wenn Prozess, Farbe und Konzept alle eine Rolle in seinem Werk spielen mögen. Am wichtigsten ist es ihm, ein Gemälde zu machen, so redundant diese Aussage auch klingen mag. Und um das zu können, benötigt er einen Grund und eine Vorgehensweise. Darauf richtet er sein Augenmerk. Ein Gemälde ist das Ergebnis von Entscheidungen, auf die Taten folgen.
Heutzutage hat es wenig Sinn, über Malerei unter stilistischen Gesichtspunkten zu sprechen. Die abstrakte Anmutung eines Gemäldes steht in keiner eineindeutigen Beziehung zu einem bestimmten Sinn oder Inhalt. Anstatt von Stil könnte man von einer Haltung sprechen – ein umfassenderer Begriff, der die Motivation des Künstlers, seine Denkweise und seine Sicht dessen, was es bedeutet, ein Künstler oder ein Maler zu sein, beinhalten kann. Eine Wolke von Erwägungen definiert die Haltung eines Künstlers. Ein Schlüssel besteht darin zu sehen, in welchem Verhältnis die physische Präsenz eines Gemäldes zu den Gedanken und Motiven des Künstlers steht. In dieser Beziehung kann man die Haltung des Künstlers erkennen.
Im Falle von Bernard Frize haben wir es mit einer seltsamen Mischung aus Indifferenz und Sorgfalt zu tun, die sein Werk konstituiert. Seine Bilder vermitteln den Eindruck einer gewissen Leichtigkeit, ja mitunter eines laisser-faire, doch in anderer Hinsicht sind sie präzise und entschieden. Es gibt ein bestimmtes Verfahren, eine Reihe geplanter Handlungen, und die Herstellung eines Werks bedeutet, diese Handlungen in die Tat umzusetzen und dabei gegenüber dem visuellen Ergebnis offen zu bleiben. Bei der auf eine sinnträchtige Weise erfolgenden Herstellung eines Gemäldes ist dem Künstler sehr daran gelegen, ein Bild zu malen, das über den zweiten Blick hinaus Bestand hat.
Die meisten Gemälde gehören Serien an, in denen Frize so lange ein gewisses Muster oder Prinzip erkundet, bis er das Motiv zu einem Ende gebracht hat. In dieser Ausstellung werden im Wesentlichen vier Serien, die alle in Berlin entstanden sind, präsentiert. Die Werke als Serien zu sehen, fügt dem Erlebnis „der Frize-Methode“ eine Menge hinzu und ist ein Schlüssel zu ihrem Verständnis. Sie beginnen, ein rhythmisches Gefühl zu vermitteln, und erscheinen als Variationen. In Suite au rouleau (1993) bestimmten die Zahlen auf dem Ziffernblatt einer Uhr die Richtung der gemalten Streifen, die einander im Uhrzeigersinn und in dichter Folge überlappen. In der kleineren, auf Glas gemalten Serie Juin (2011) bildet ein „U“ die Grundform, die sich wiederholt und nach jedem U die Farbe wechselt, bis eine rechteckige Gestalt gesättigt ist. Diese Serien beginnen als eine Art Karte mit Richtungen, doch die Ausführung des Gemäldes, auf Leinwand oder Glas, ist dann die eigentliche Reise.
Die Bilder wirken minimal, wohl mehr im Sinne der Minimal Music als in dem des What-you-see-is-what-you-get-Minimalismus, den es in der bildenden Kunst gibt. Innerhalb einer Serie finden sich graduelle formale und farbliche Veränderungen, bei denen dasselbe kompositorische Motiv zum Einsatz kommt, und dies erzeugt eine Art schwebende Handlungslinie oder Melodie. Dabei ist „Handlungslinie“ möglicherweise ein problematischer Begriff, da keine klar definierte Geschichte vorgegeben ist, die man lesen kann, und doch gibt es das Gefühl, dass dieselbe Sache auf unterschiedliche Weise erzählt wird und ihre Bedeutung und ihr Ausdruck durch diese Wiederholung erweitert werden.
Man sollte, scheint der Künstler mit dieser Serie zu sagen, sämtliche Optionen ausschöpfen. Das erinnert an Albert Camus’ Der Mythos des Sisyphos (1942), bei dem es in gewisser Hinsicht um das Definieren einer künstlerischen Haltung geht. Camus’ Essay setzt sich mit der Lage des Künstlers auseinander, der nach dem Tod Gottes mit einer existenziellen Orientierungslosigkeit zurande kommen, sprich selbst eine Disziplin und Methode festlegen muss. Er muss den eigenen Felsbrocken voller Hingabe bergauf wälzen, wie Sisyphos dies tat, auch wenn ihm klar ist, dass dies nicht belohnt werden und der Stein zurückrollen wird und nur darauf wartet, erneut hinaufgewälzt zu werden. In malerischer Hinsicht scheinen Frizes Werke dieses Schicksal des Sisyphos zu verkörpern, da er immer wieder von vorn anfängt, neue Serien zu schaffen, doch dabei genau weiß, dass es ein letztgültiges Bild nicht gibt. Ein Künstler kann nicht an eine absolute Wahrheit glauben und muss sich, um ein Werk zu schaffen, um überhaupt zu handeln, doch so verhalten, als gäbe es eine solche, zumindest im Augenblick. Trotz der Absurdität von Sisyphos’ Tun, schildert Camus ihn als einen glücklichen Menschen, der sich seinem Werk hingebungsvoll und im vollen Bewusstsein seiner Lage widmet. Auf ähnliche Weise besteht auch Frizes Haltung aus einer Mischung von Distanziertheit und einer relativistischen Sicht der Dinge, während er zugleich seinen Glauben an den und seine Freude am Akt des Bildermachens unter Beweis stellt.
„Es steckt nichts hinter dem Gemälde“, sagte Frize. Aber es gibt etwas, das diesem vorausgeht. Es gibt die Kunstgeschichte, die individuelle, lokale und europäische Geschichte, welche diese Werke auf eine direkte oder indirekte Weise geprägt haben. Welcher Quelle entspringen sie?
In den 1970er Jahren gab es eine Zeit, in der Frize als junger Künstler eine Malblockade hatte. Während die Proteste des Jahres 1968 in Paris ein Klima des Wandels und des Aufruhrs erzeugten, verspürte Frize einen Widerspruch zwischen der ihn umgebenden politischen Wirklichkeit und der individuellen Aktivität eines Künstlers im Atelier. Wie sollte er ein relevantes Gemälde schaffen? Wie sollte er an der Gesellschaft teilnehmen, ohne schließlich denunzierende Bilder zu machen oder bei einem „salonartigen“ Kunstaktivismus zu landen? Für Frize bedeutete dies zunächst, ganz mit der Malerei aufzuhören, weil er nicht wusste, was er tun sollte. Doch dann fand er nach einiger Zeit und während dieser Krise ganz ruhig zu einem Neuanfang. 1976 gab es eine Phase, in der er, sonntags, wieder mit dem Malen begann. Dabei trug er einfach nur sehr schmale waagrechte und senkrechte Linien in verschiedenen Farben auf eine quadratische Leinwand auf. Er hatte eine Tätigkeit entdeckt, die auf einer schlichen Methode beruhte und bei der die denkbar kleinsten Pinsel zum Einsatz kamen. Er empfand dies per se als aufrichtig und wahr. Ohne gesteigerte Ambitionen oder falsches Engagement schien ihm dies, als eine Art mönchisches Handeln für sich genommen sinnvoll zu sein. Doch am bedeutsamsten ist womöglich, dass das Gemälde gemacht werden wollte.
Im Rückblick kann man sagen, dass Frize eine Methode entwickelte, die sowohl seinem Maler-Sein als auch seinem Drang, als Künstler zu handeln, gerecht wurde. Er schrieb: „Dies waren meine ersten Bilder, bei denen die Materialien, die Technik (wie minimal diese auch gewesen sein mag) und der Inhalt (das, ‚was gedacht wurde‘) sich miteinander solidarisch zeigten.“
Diese ersten Bilder präsentieren ein dicht gewobenes Labyrinth aus jenen extrem feinen waagrechten und senkrechten Linien. Sie bestehen aus vielen verschiedenen Farben, doch da die Pinselstriche so dünn sind, beginnen jene zu einer einzigen Farbe zu verschmelzen, wenn der Betrachter ein paar Schritte zurücktritt und das Werk aus einiger Entfernung betrachtet. Die Einfachheit, die Reinheit der Mittel und die Weigerung, durch die Malerei weltliche Themen oder andere Dinge anzusprechen, die sich nicht in der Malerei ausdrücken lassen, ist auch jetzt, vierzig Jahre später, noch in starkem Maße Teil seines Werks. Frize hatte seine Methode gefunden, was aber nicht bedeutet, dass damit das visuelle Vokabular seines Œuvres für die nächsten Jahrzehnte festgelegt worden wäre oder er es sich in einem Stil bequem gemacht hätte. Nein, er entwickelte weiter neue Regelwerke, um andere Gemäldeserien in Angriff zu nehmen, etwa die Regel, dass der Pinsel die Leinwand erst am Ende eines Musters verlassen darf, oder die, dass die Farbe nach jeder U-Form wechselt, oder die, dass er die Farbe in offenen Dosen trocknen ließ, um im Anschluss die runden Krusten zu verwenden, die sich nach ein, zwei Tagen am Rand der Dosen bildeten. Doch die Haltung, aus der heraus er malte, hatte Wurzeln geschlagen. Er wusste, wo er herkam, wo er hinwollte, freilich aber auch, wo er nicht hinwollte. In bestimmter Hinsicht widersetzen sich seine Bilder der Bedeutung, doch in anderer Hinsicht sind sie großzügig und explizit.
„Ich interessiere mich nicht für Farbe“, meinte Frize, während er vor einem seiner farbenfrohen Bilder steht – und damit weitere Journalisten durcheinanderbringt, die nach Antworten auf die Frage suchen, was hinter dem Werk steckt. Aus dem Mund eines Künstlers, dessen Werke so farbenfroh sind, wirkt diese Aussage seltsam. Doch der Künstler und der Betrachter müssen hier nicht zwangsläufig einer Meinung sein, richten sie ihr Augenmerk doch auf verschiedene Dinge. Die Freude bei der Betrachtung des Werks rührt teilweise ganz deutlich von der Zurschaustellung der Farben und der Wahrnehmung ihrer unterschiedlichen Auftragsweisen her. Vertikal ausgerichtete Bilder wie Aigre (2015) und Rogue (2015) haben einen monumentalen Charakter, während in kleineren Gemälden wie etwa Brome (2015) und Doine (2015) ein Gefühl von Flüssigkeit und Wandel wichtig ist. Es gibt dort eine Farbemulsion, die ohne den Einsatz eines Pinsels in Erscheinung zu treten scheint. Im Prinzip sieht man hier das Ergebnis einer Farbschüttung, so als ob Flüssigkeit in ein Spülbecken gegossen worden wäre, und der Effekt mutet dann fast fotografisch an. Für den Betrachter machen solche unterschiedlichen Erscheinungsweisen der Farben das Werk interessant und vielfältig. Der Künstler möchte einfach auf die Dinge hinweisen, die für ihn wirklich von Bedeutung sind, und Farbe gehört nicht dazu. „Ich verwende einfach so viele Farben, wie ich kann, um mir die Qual der Wahl zu ersparen“, sagt er. Außerdem sind Farben funktional, markieren einen Richtungswandel oder eine Kehre des Pinsels oder die Wiederholung eines bestimmten Musters. Sie unterstreichen Veränderungen der Handlung.
Man hat die These vertreten, ein aufmerksames Auge sei imstande, die Geschichte von Frizes Bildern im Hinblick auf ihre manuelle Verfertigung nachzuzeichnen. Der Herstellungsprozess des Gemäldes sei in den fertiggestellten Bildern sichtbar. Doch dies trifft nur in gewissem Maße zu. Ja, häufig kann man die Pinselstriche als solche sehen, da sie die Hauptakteure sind. Aber die Art und Weise, wie der Künstler bestimmte Werke gemacht hat, kann man nur schwer erkennen. Das gilt insbesondere für seine unorthodoxe Malweise, bei der verschiedene Pinsel aneinander gebunden wurden oder mehrere Assistenten jeweils einen Pinsel führten oder bei der es einander überlappende Farbschichten gab. Man kann auch hinterfragen, wie wichtig es ist zu wissen, wie der Künstler das gemacht hat. Vielleicht ist es wichtiger, sich auf die Erfahrung des Verwirrt- oder Erfreut- oder Verwundert- oder Getäuscht-Worden-Seins zu konzentrieren. Und es erweist sich als lohnender, etwa die Abfolge einer Serie zu beachten und ihren Rhythmus, ihre Dynamik sowie die Räume zwischen den Gemälden zu erleben, als zu versuchen, zu begreifen, wie die Bilder gemacht sind. Manchmal besteht das größere Vergnügen darin, etwas nicht zu verstehen.
Tatsächlich kann der Betrachter wählen oder die Arbeiten mal so, mal so ansehen. Er kann das Werk einer analytischen Betrachtung unterziehen, den Herstellungsprozess verfolgen und seiner Logik nachgehen. Oder er kann einen umfassenderen Ansatz wählen und das Werk als eine vollendete Wirklichkeit an sich betrachten, die man erleben kann, statt als ein Konstrukt, das es zu entziffern gilt. Letzterer Ansatz verlangt eine gewisse Unterwerfung seitens des Betrachters. So wie jemand, der sich minimalistische Musik anhört, einfach nur im Moment sein und aufhören sollte, nach der Mathematik dahinter zu suchen, um die tatsächliche Musik zu genießen, so sollte der Betrachter von Frizes Werken sich lieber von der Idee verabschieden, dass das Gemälde ein Rätsel ist, das sich lösen lässt, oder ein Konzept, das illustriert wird. Es gibt dort nichts zu lösen, genausowenig wie etwas hinter dem Gemälde steckt.
Anteilnahme und Distanziertheit sind zwei Säulen von Frizes Werk. Es sind einander entgegengesetzte Kräfte, die seine Haltung ausmachen. Sobald Frize seine Methode für eine Serie festlegt, versteht es sich von selbst, dass bestimmte Bilder schön werden, während andere weniger glänzend oder ansprechend, ja vielleicht sogar hässlich wirken mögen. Die einzelnen Werke verströmen eindeutig unterschiedliche Stimmungen; mal sind sie chaotisch, mal harmonisch, mal verführerisch und dekorativ, mal legen sie es nicht drauf an zu gefallen. Bei Frizes Ansatz ergäbe es keinen Sinn, ein Gemälde zu überarbeiten oder zu versuchen, die Stimmung zu beeinflussen, es am nächsten Tag nachzubessern oder eine neue Schicht hinzuzufügen. Das würde die Glaubwürdigkeit des Werks beeinträchtigen. Im Idealfall entstehen die Bilder in einem Durchgang. Dann funktionieren sie oder sie funktionieren nicht. Und wenn sie nicht funktionieren, fängt der Künstler wieder von vorn an und macht ein neues. Das verweist auf eine eher performative Einstellung gegenüber der Malerei als auf eine kompositorische. Es handelt sich mehr um eine Handlung, der man trauen kann, als um eine Konstruktion, der man nachgehen soll.
Frize mischt seine Farbe mit Harz, derselben Substanz, die Restauratoren benutzen, um alte Gemälde auszubessern. „Warum die Bilder nicht gleich ‚restaurieren’, wenn man sie macht?“, fragt Frize, der immer froh ist, wenn ein Verfahren sich abkürzen lässt. Dank des Harzes verschmelzen alle Farben zu einer planen Oberfläche, und die strukturelle Beschaffenheit der Pinselstriche weist keine Unterschiede auf. Außerdem spürt man nicht die Nähe der Hand eines Künstlers, sondern es wird eher ein Abstand zwischen der Geste und dem Betrachter erzeugt. Durch diese Technik wirkt das Ergebnis nahezu wie das Bild eines Gemäldes. Frize betrachtet es als eine Möglichkeit, das Gemälde zu schließen, es zu versiegeln, um den Betrachter auf Abstand zu halten. Für ihn geht es bei der Malerei nicht darum, in einem transzendentalen Bild zu verschwinden, die Textur der Farbe und des Pinselstrichs zu erleben, die uns mit einem subjektiven Urheber verbinden. Derartige Romantik hat nichts mit seinem Ansatz zu tun. Typischerweise mögen in seinen Werken „malerische“ Aspekte sichtbar sein, aber auf eine inszenierte Weise und in abgeflachter Form. Wir betrachten also Gemälde, die fast wie großformatige, hochwertige Reproduktionen ihrer selbst anmuten.
Im Allgemeinen und ungeachtet all ihrer Unterschiede besitzen Frizes Gemälde eine gewisse Leichtigkeit, was möglicherweise an den planen Oberflächen und der Farbenfülle in Verbindung mit der Klarheit und Ökonomie der Mittel liegt. Die Leichtigkeit oder Verspieltheit ist mit einer ernsthaften Absicht und dem Bewusstsein verknüpft, was es bedeutet, in einem Zeitalter zu malen, das bereits dicht von Bildern bevölkert ist. Wo gibt es da noch eine Nische? Im breiteren Kontext dessen, was in der Geschichte der Malerei bereits erreicht wurde, scheinen nur bescheidene Ambitionen am Platz zu sein. Und genau aus diesem Grund ist der Impuls, der von einem Plan zur tatsächlichen Handlung führt, so wichtig. Eine Idee zu haben, bedeutet noch nicht, ein Bild zu machen.
Ein Bild zu betrachten, ohne zu wissen, was es eigentlich darstellt, und ohne genau zu verstehen, worum es dabei geht, scheint leicht zu sein, ist aber zugleich die größte Herausforderung für den Betrachter. Wie kann man sich an Gemälden erfreuen und eine Beziehung zu ihnen finden, ohne sie als die Materialisierung eines Gedankens oder einer Absicht zu begreifen? Auf diesem Gebiet hat Frize uns etwas zu bieten. Er neckt uns mit der Andeutung eines Systems, mit der Erwartung, dass seinem Werk eine rationale Überlegung zugrunde liegt, doch er lässt uns mit Bildern zurück, die keinen wirklichen Sinn ergeben, außer dass sie gut aussehen, vielfältig und dynamisch sind und hinsichtlich der Art ihrer Ausführung eine große Beharrlichkeit an den Tag legen. Nichts sagen, kann mit Anmut und Eleganz geschehen.
Hinter dem Gemälde steckt nichts, doch davor verfügt der Betrachter über den Raum zu sehen, wie sich das Bild verändert, während er sich ihm nähert oder davon entfernt, eine Entwicklung zu begreifen, während er einer Bewegung durch eine Sequenz von Bildern folgt, oder sich in einem einzelnen Werk in einem wiederholten Motiv zu verstricken.
Bevor der Malakt beginnt, werden einige wesentliche Entscheidungen über die Komposition des Werks getroffen. Und die tatsächliche Ausführung könnte man als die Verwirklichung des Skriptes betrachten, das der Künstler geschrieben hat. Somit ist das Malen ein Akt in einem theatralischen Sinn, ein Moment, in dem der Künstler die Bühne betritt und dann die Aufgabe erfüllt. Wenn er einen Fehler macht, ist das in Ordnung. Das gehört zur Wahrheit des Augenblicks und zum Live-Charakter der Darbietung, und der Künstler wird improvisieren müssen. Er malt mit dem Gefühl einer direkten Übertragung, auch wenn das Publikum das Ergebnis erst danach zu sehen bekommt. Und wenn es gut funktioniert, dann spürt man diese performative Energie, wie sie die Pinselstriche bezeugen. Ja, in der Tat, Malen ist ein Akt.

Tonmitschnitte der Preisverleihung

Jurybegründung (Karin Sander)

Laudatio (Jurriaan Benschop, in englischer Sprache)